Immer wieder taucht die Idee der dominanten Frau auf, die zwar nicht formal, aber dafür umso realer die Macht in Händen hält. Sie steuert aus dem Hintergrund den Mann, der gefügig ihrem Willen folgt. In Wirklichkeit hat doch sie die Hosen an. Was soll also das ganze Gezeter um Gleichberechtigung?
Die Begegnung mit dem Alltag von Frauen in Extremsituationen kuriert einen ganz rasch von solch fantastischen Absurditäten – so geschehen vor 4 Jahren, anlässlich eines Besuchs bei Bewohnerinnen eines arabischen Dorfes in einer Krisenregion. Wir, ein paar westliche Frauen, trafen uns in einer konservativ geprägten Gegend mit muslimischen Frauen. Politische Unsicherheit, Polizeikontrollen, Strassensperren und Bomben aus der Luft und am Boden gehören zur ständigen Bedrohung. Wir sprachen über Ängste und ich war erschüttert, als eine um die andere als die stärkste Bedrohung “mein Vater”, “mein Ehemann” oder “mein Bruder” nannte. Das hätte ich nicht erwartet. Die Machtverhältnisse so plakativ vor Augen gemalt zu bekommen, hat mich nachhaltig beeindruckt. Dass Frauen aus dieser Notlage heraus andere Wege suchen, um zu überleben und den Mann zu ihren Gunsten zu beeinflussen, leuchtet ein. Üben sie subtil emotionalen Druck aus? Versuchen sie, ihn zu hintergehen? Gut möglich. Die Machtverhältnisse kehrt es deswegen trotzdem nicht um.
Es ist einfach, diese Einseitigkeit im Fremden zu erkennen und verurteilen. Die Anlage dazu steckt aber in uns Menschen und auch die westliche Geschichte erzählt uns von dieser Unterdrückung. Klar, in unseren Breitengraden sind Frauen und Männer von Gesetzes wegen gleichgestellt – seit Kurzem. Und doch sitzen uns diese Machtverhältnisse nach wie vor in den Knochen. Es braucht die aktive Bemühung von beiden Seiten, damit sich nachhaltig eine Kultur entwickeln kann, in der Frauen frei ihre Meinung und ihre Bedürfnisse äussern können und Männer ihnen Gehör schenken. Frauen müssen dabei unter anderem ihre Ängste überwinden – einige vor roher Gewalt, die meisten aber vor dem Ignoriert werden, vor heftig vorgetragenen Gegenargumenten, vor emotionaler Strafe, Zynismus, Lautstärke, Belehrung. Und Männer müssen sich ihrer potentiellen Macht bewusst werden und diese ablegen – was biblisch gesehen ein absolut lobenswerter Akt ist. Da es sich nicht um einen Machtkampf handelt, sondern um die Suche nach dem gemeinsamen Weg, könnte dieses Vorhaben von Erfolg gekrönt sein. Ich kenne genug Männer und Frauen, die genau diesen Machtverzicht zu leben versuchen – in der Zusammenarbeit in Teams, aber auch in der Ehe – und dabei gute Früchte ernten. Billig zu haben ist diese Versöhnung der Geschlechter nicht, aber glücklicherweise gehört sie mit zu den Errungenschaften, die Christus am Kreuz für uns zugänglich macht.
Sabine Fürbringer